Freitag, 18. März 2011
Wieder in Savar- Rückblick Chittagong
Wow.. Unfassbar. Überwältigend. Schockierend. Nicht vorstellbar. Interessant. Schön. Die letzen Tage waren all das und noch viel mehr....
Am Dienstag haben wir dann unsere Arbeit begonnen. Die wie folgt aussah:
Bei unserer Ankuft morgens um neun in einem netten kleinen Dorf in der Nähe von Chittagong warteten ca. 300 Menschen plus Angehörige, Anwohner, Schaulustige etc. auf die Bedeshis (bangla für: Ausländer/ Fremde). Zuerst gab es eine Begrüßungszeremonie in der wir und das neue Projekt (ambulantes Rehazentrum in Chittagong vom CRP) vorgestellt wurden. Anschließend wurden wir nach Professionen eingeteilt. Matt mit einem Bangla Physio in einem Raum, Donata mit einer Bangla Logo in einem anderen Raum und Genna und ich als Ergos in nöchsten Raum... Nacheinander kamen die Patienten zu uns. Wir sahen alle zusammen ca. 300 Pat. an einem Tag. Keine Ahnung wie viele Genna und ich gesehen hatten. Zum zählen war keine Zeit. Unsere Aufgabe war es innerhalb von 3-6 Minuten eine kurze Anamnese der Pat. aufzunehmen, Eine Diagnose zu stellen und Behandlungsvorschläge sowie eine Prognose zu machen um die Pat. zu informieren, dass sie zu weiteren Versorgung dann ins CRP- Center nach Chittagong gehen können. So. Also: kurze Zeit, schlechte Übersetzer und Fälle, für die man gern mehrere Stunden Zeit gehabt hätte um mehr über die Pat. zu erfahren.
Der erste Pat. war ein kleiner Junge und wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben, denn sowas hatte ich noch nie gesehen. Er war 5 Jahre alt... und sah aus wie maximal 3. Er hatte null Muskeltonus.. Ohne Hilfe konnte er weder sitzen, noch stehen, seinen Kopf nicht halten so dass er wenn man ihn nicht festhielt in alle Richtungen fiel. Er kann weder stehen noch laufen. Gesprochen hat er noch nie. Beim Essen, Anziehen und Waschen benötigt er Hilfe. Er hat keine Rollstuhl oder andere Unterstützende HIlfsmittel. Unfassbar, dass er überhaupt lebt und seine Wirbeläule seinen Kopf hält.... Und er und sein Vater sahen uns mit großen Augen an und hofften dass wir ihn wieder gesund machen könnten, wir, die Weißen, die Fremden, die doch so viel mehr wissen als die Bangladeshis... (weitverbreitete meinung hier). Oder es war ein Mann da, der auf dem Boden kroch und eine art Hartgummihose trug um seine stark deformierten Beine beim Kriechen nicht aufzureiben.... Keiner von ihn sah in im Gespräch, so dass wir ihn dirket zum CRP hätten weiterleiten können... Jedem ist er aufgefallen, aber am Ende des Tages war er einfach nicht mehr da... Wir hoffen, dass er trotzdem seinen Weg zum CRP finden wird um dort vielleicht einen Rollstuhl zu bekommen.
Das CRP ist in ganz Bangladesh das einzige Rehazentrum dieser Art. Es gibt hier auch ein Kategoriensystem für die Patienten. Sehr arme Patienten müssen z.B. für die Behandlung nichts zahlen. Pat. mit etwas mehr Geld bezahlen ca. 100 Takka für eine Einzheit (ca. 1€), reichere Pat. 200 Takka... Das ermöglicht auch den ärmsten behandelt zu werden.. Doch für viele ist schon der Transport dorthin ein HIndernis.
Es kamen Pat. die nicht fähig waren zu laufen, deren Katheter am Boden durch den Dreck gezogen wurden, Kinder mit extremen Streckspastiken im Rumpf und der Höfte so dass sie nicht sitzen konnten etc... mit der Riksha oder wurden von ihren Angehörigen getragen...
Der zweite Tag lief ähnlich ab wie der erste. Nur diesmal in einer Art Gemeindehalle in einem Stadtteil Chittagong.
Schockierende Pat.fälle. Viele Schlaganfälle. Viel zu lange her... Teilweise Pat. deren Schlaganfall schon 4 bis 6 Jahre her ist und die zum Teil noch nie Therapie oder irgendeine Art von Hilfsmittelversorgung erhalten hatten. Aber auch hier waren am schlimmsten die Kinder betroffen. Schlimme Deformitäten, überwiegend der Beine, aber auch Arme und Rumpf, Entwicklungsverzögerungen, Down-Syndrome, Viele Kinder mit extremem Hypotonus in allen Extremitäten, Streckspastiken und persitierenden Reflexen die ihnen ein selbstständiges Leben unmöglich machten. Hinzu kamen Geistige Behinderungen meist durch Sauerstoffunterversorgung während der Geburt. Viele berichteten von einer Art Fieber das die Kinder im Säuglingsalter erlitten und seither schwer körperlich und geistig behindert sind....
Eine Frau wird mir auch hier in Erinnerung bleiben. Sie trug ihren Sohn mit starken körperlichen und geistigen Behinderungen in die Halle. Sie selbst war so klein und dünn und sah selbst krank und schwach aus. Im Gespräch fanden wir heraus, dass sie seit 6 Jahren Witwe ist und noch eine Tochter hat, die ebenso schwerst behindert ist wie ihr Sohn.. Beide Kinder benötigen eine 24 Stunden Pflege und können keinerlei Aktivitäten selbst übernehmen. Selbst essen ist ihnen nicht möglich. Die Kinder haben keinerlei Hilfsmittel, wie etwa einen Rollstuhl oder Hilfsmittel für die Toilette...
Es ist einfach so unfassbar wie die Menschen hier überleben und leben... Und worüber beklagen wir uns oft in unserer Gesellschaft... Uns geht es so gut... Nur wissen wir es oft zu wenig zu schätzen...
Ich habe die letzen 2 Wochen so viel über verschiedene Kulturen gesprochen und gelernt. Ein Handtherapeut hier meinte, dass die Menschen hier, zwar finaziell ärmer sind als wir Europäer, emotional jedoch weitaus reicher.. In manchen Punkten mag er recht haben.. Ich habe hier so viel Gastfreundschaft und Zusammenhalt in Familien von meinen Pat. gesehen, wie ich es in Deutschland bei meinen Pat. nur selten erlebt habe... Ich habe keine Ahnung wie die Menschen das hier arrangieren, aber ich hatte zum Bsp. einen Pat. deren Familie ca 4 Stunden von Savar entfernt wohnte.... Also nahmen sich 2 seiner Töchter und ein Sohn hier eine Wohnung um ihren Vater während er zur Therapie im CRP ist, zu pflegen... Ich habe hier noch keine einzigen Pat. gesehen, der alleine zur Therapie kam... Tja einfach anders hier...
Unterkunft und Essen waren in Chittagong super! Es gab zwar öfter n Stromausfall als in Savar und Wasser kam auch nur sporadisch aus m Duschkopf, so dass man mit Eimern duschen musste, aber war echt super... Sightseeing oder ähnliches haben wir nicht wirklich gemacht, weil wir meist so fertig waren abends, dass wir nur noch schlafen wollten oder einfach chillen und den Tag verarbeiten. Am letzen Abend in Chittagong hatten wir dann noch n Meeting mit allen Beteiligten der letzen 3 Tage. Insgesamt waren wir 14 Personen. Ein Team aus Physios, Ergos, Logos, Organisatoren.... Die Leiter des neuen CRP-Centers in Chittagong dankten uns noch einmal für unseren Einsatz und alle konnten die letzen Tage noch einmal es wurde ein Gruppenfoto gemacht, dass in Zukunft dort hängen wird, da wir alle die ersten waren, die dieses Projekt aktiv unterstützt haben. Quasi bissl geschichte geschrieben :-) Irgendwie hat man da bissl das Gefühl an was wirklich sinnvollem teilgenommen zu haben...
Ja und morgen gehts schon wieder weiter mit der Arbeit im CRP in Savar.. Heute war mal relaxingtag... sind gestern abend hier angekommen. Nachdem die Hinfahrt mit unserem irren Busdriver so anstrengend war, haben wir 4 Volunteers und 2 Bangladeshis beschlossen mit dem Zug zurück zu fahren.. What a Luxus... Wir hatten ein 8er Schlafbteil zu 6. und noch die zwei Liegen zum Pennen... Zwar alles dreckig und staubig und viele Leute auf m Dach des Zuges, aber wir fühlten uns wie im Himmel... Keine Hupe, angenehme Temperatur durch ca. 4 Ventilatoren an der Decke und eine traumhafte Landschaft... Wir sind glaube 8 Stunden Zug gefahren und haben für unsere erste klasse Lounge jeder nicht ma 3 € bezahlt....
naja das ist bangladesh... an jeder Station an der wir angehalten haben kamen Kinder oder Männer mit Snacks, Chips , Getränken oder Früchten an die Fenster um ihre Waren zu verkaufen.... Und immer am Handeln.. wobei ich sagen muss, dass wir jedenfalls in Savar beim Lebensmitteleinkaufen wenigstens nicht oder selten abgezockt werden.
Das ist jetzt glaub mein längster Beitrag bisher.. aber die letzten tage musste ich einfach aufschreiben und euch mitteilen...
Küsse aus Bangladesh :-)

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Ey, wie krass! Echt unglaublich... sehr spannend zu lesen...

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Lisa:
echt spannend zu lesen, aber auch erschreckend!
Aber es klingt danach, dass du trotz allem auch eine gute Zeit hast und tolle Erfahrungen sammelst.
Weiterhin viel Spaß bei deiner Arbeit und deinem Wirken!
Ich habe mittlerweile auch alles fertig gepackt und habe mich über deine Nachricht sehr gefreut, tja und morgen geht es los! So wie es aussieht treffe ich auch Nina in Bangkok ;-)
Ich soll dich übrigens von den ganzen Schmiederlingen grüßen!

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